Schöne Leut..

Peter Dworak und seine Geschichten von Menschen
von Angelica Bäumer

Es gibt Künstler, deren Werk hoch geschätzt wird, Künstler, die jeder kennt, die seit Jahren, ja seit Jahrzehnten im Bewusstsein der Kunstszene existieren, und die dennoch viel zu selten in repräsentativen Ausstellungen zu finden sind.

Solch ein Künstler ist Peter Dworak.

Ich habe ihn in seinem hochgelegenen Atelier besucht. Seit vielen Jahren kennen wir uns, immer wieder sind mir seine Bilder begegnet, habe ich sein Werk bewundert und mich gefragt, wo denn die Galerien sind, die sich auch solcher Künstler annehmen, die nicht die nicht in den sogenannten “Zeitgeist” passen. Es gibt etliche davon in Österreich und es wäre eine kulturpolitische Tat, nicht nur der Jugend immer wieder eine Plattform zu geben, sondern gerade jene Künstler, die den guten Ruf österreichischer Kunst nach 1945 begründet haben, adäquat zu präsentieren.

Peter Dworak erzählt Geschichten von Menschen. Es sind vor allem Frauen, aber auch Männer – oder phantastische geschlechtslose Wesen, Tiere, Pflanzen und so mancher undefinierbare Gegenstand, die seine Bilder bevölkern. Gesichter und deren Ausdruck sind ihm wichtig, manchmal heiter, manchmal traurig, böse, grimmig oder auch verzweifelt, angeekelt. Man spürt, wie sehr er sich mit seiner Stimmung auf seine Bilder einlässt.

“Mit Bildern sprechen bedeutet, Leben in Bildern zu sehen”, meint er; statt mit Menschen zu reden, redet der Künstler mit seiner Leinwand oder mit jenem weißen Blatt Papier, das er zu einer Welt macht. So ist ein “Bilderschauen” bei Peter Dworak eine sehr persönliche, ja fast intime Begegnung – und er lässt es auch zu. Er versteckt sich weder hinter intellektueller Formulierung oder einer künstlichen Attitüde, sondern zeichnet und malt sein Tagebuch. Er gibt sich schutzlos preis, empfindsam und kompliziert wie einfach. “Ich bin doch nur aus der Ferne ganz nah, wenn der Garten meiner Kindheit in meinen Gedanken Platz nimmt.” Seine Offenheit und Ehrlichkeit macht ihm nicht nur Freude: So genau wollen die Menschen eigentlich nicht wissen, wie es ihm geht, weil es auch viel einfacher ist “wenn Künstler der formalistischen Art Geschichten ohne leben erfinden”, wie er erkannt hat und damit auf eines seiner Kommunikationsprobleme stößt.

Zwischen Freud und Kraus

Peter Dworak wurde 1949 in Wien geboren, studierte an der Akademie der bildenden Künste bei Maximilian Melcher und machte schon 1970 sein Diplom in Malerei und Grafik. Ausstellungen und Preise machten ihn schnell bekannt, denn seine Kunst sei von höchstem “persönlichen Ausdruckswillen” und er selbst ein “Mann der Bekenntnisse” (Rotraut Hackmüller). Anregungen durch Art Brut und Filme von Federico Fellini sind durchaus bewusst, es ist die ähnliche Erlebniswelt, die Sichtweise von Liebe, Tod, Sex, Traum und Rausch. Seine geistige Verwandtschaft mit anderen Künstlern, vor allem solchen seiner Generation, macht ihm nicht zu schaffen, weil man zwar oberflächlich gewisse Ähnlichkeiten feststellen kann, aber bei genauer Betrachtung ist Dworaks Kunst eigenständig, seine Handschrift persönlich und unverwechselbar. Und dass Themen sich ähneln – wen wundert’s bei ähnlicher Ausgangslage? Wir sind in Wien, im Wien des Weltschmerzes und des Weltunterganges, im Wien des Sigmund Freud und des Karl Kraus.

Die Titel zu seinen Bildern sind ihm wichtig, und seine Texte, Tagebuchnotizen, aber auch kurze Essays und Betrachtungen gehören zum Besten, das in diesem Land ein Maler geschrieben hat. Da ist alles echt und – genauso wie bei seinen Bildern – nichts versteckt oder beschönigt. Im Gegenteil: Wen seine Offenheit und sein Geständnis nicht berührt, so zu sein, wie er nun einmal ist, mit allen Problemen, Ecken und Kanten, mit allen Leiden und aller Not, der muss blind und taub sein. Obwohl er sagt, dass er sich hinter seinen Bildern verstecken würde: “je ehrlicher man mit sich selbst ist,desto mehr ist man autark” – aber auch desto verwundbarer und einsamer. Das Publikum will nichts über die Befindlichkeit des Künstler wissen, das “Sich-Einlassen” geschieht immer seltener, weil es die eigenen Probleme berührt und man sich ihnen stellen müsste. Niemand geringerer als Peter Turrini hat gesagt: “Die Bilder von Peter Dworak faszinieren mich und machen mir gleichzeitig angst…”

Neben Literatur ist es die Musik, die für Peter Dworak Lebensmittel ist. Reisen finden hingegen in den Bildern statt und “zutage tritt das Innere” (Turrini) – mit Musikbegleitung, von Mahler bis Elvis. Er hat ja auch genug zu tun, wenn er – anstatt zu reisen oder mit Menschen zu sprechen – mit dem “blaß-weiß gewordenen Papier” spricht, das in persönlich empfängt und dessen Unschuld er mit einem Strich stört, sowie mit etlichen mitleidvollen Schraffuren, die ihn um Farbe bitten…

“Ich möchte über alle Ungereimtheiten hinweg eine Harmonie anbieten – die allerdings schwer erkämpft werden will.” Und letztlich meint Peter Dworak: “Machen Sie sich ihr eigenes Bild davon. Es muss ja nicht das letzte sein.”